Krankheitsbild
Wenn der Konsum von Alkohol, der über das sozial tolerierte, für Individuum und/oder Gesellschaft ungefährliche Maß hinausgeht, spricht man von Alkoholismus.
Dabei wird sowohl der gewohnheitsmäßige übermäßige Alkoholkonsum ohne Abhängigkeitsentwicklung als auch die echte Alkoholabhängigkeit unter dem Begriff
"Alkoholismus" zusammengefaßt. In Deutschland gibt es etwa 2 Millionen Alkoholiker. Alkoholmißbrauch ist der Grund für etwa 30 Prozent der
Einweisungen in psychiatrische Kliniken. Während vor 50 Jahren Männer noch achtmal so häufig betroffen waren wie Frauen, steigt der Anteil der alkoholabhängigen
Frauen seither ständig an.
Diagnose
Die Diagnose des Alkoholismus ist im Gespräch nicht leicht zu stellen, da die Betroffenen ihr Problem zumeist herunterspielen und ihre Krankheit nicht akzeptieren.
Daher wird der Arzt oftmals auf die Angaben von Angehörigen der Patienten sowie auf Laboruntersuchungen angewiesen sein. So wurde vor einigen Jahren der
Eiweißstoff "Carbohydrat Defizientes Transferin" (CDT) entdeckt. Der CDT-Wert ist erhöht, wenn über sieben Tage jeweils mehr als 50-60 Gramm Alkohol aufgenommen
wurden. Der Grenzwert, ab dem mit schädlichen Wirkungen zu rechnen ist, liegt für Männer bei 60 bis 80 Gramm Alkohol (etwa drei Flaschen Bier) und für Frauen bei
40 bis 60 Gramm Alkohol täglich.
Zudem zeigen die Patienten oft auch Veränderungen in ihrem sozialen Verhalten sowie seelische Störungen. In einem intensiven Untersuchungsgespräch wird man
oft auch Hinweise auf einen Kontrollverlust bezüglich des Alkoholkonsums finden, und schließlich stellen sich bei abhängigen Alkoholikern bei einem erzwungenen
Alkoholverzicht (z. B. durch einen Krankenhausaufenthalt wegen einer anderen Erkrankung) sehr bald Entzugserscheinungen.

Krankheitsverlauf
Der Alkoholismus kann sehr unterschiedlich verlaufen. Bei anderen Suchtmitteln gilt ein Drei-Stufen-Schema von Mißbrauch, Gewöhnung und Dosissteigerung
sowie schließlich psychischer und physischer Abhängigkeit, die gekennzeichnet ist durch ein nicht beherrschbares Verlangen nach der Droge.
Auf die Droge Alkohol ist dieses Schema jedoch nicht immer anwendbar. So werden nach einer "Typologie der Alkoholiker" fünf verschiedene Typen des Alkoholismus
unterschieden:
Der Alpha-Typ ist der "Konflikttrinker", der sich durch den Alkoholkonsum gelegentlich eine psychische Erleichterung verschafft, aber nicht die Selbstkontrolle verliert
und auch auf Alkohol verzichten kann.
Der Beta-Typ ist der Gelegenheitstrinker, der in unregelmäßigen Abständen (in Gesellschaft) übermäßige Mengen von Alkohol konsumiert; auch er verliert die Kontrolle
über seinen Alkoholkonsum nicht und zeigt keine typischen Zeichen der Abhängigkeit.
Der Gamma-Typ ist der süchtige Trinker, der die Kontrolle über sein Trinkverhalten verliert, in einem frühen Stadium aber phasenweise auf Alkohol verzichten kann.
Bei ihm kommt es zunächst zu einer seelischen, später auch zu einer körperlichen Abhängigkeit.
Der Delta-Typ ist der Gewohnheitstrinker, der kontinuierlich seinen Blutalkoholspiegel aufrechterhält. Bei ihm besteht bereits eine voll ausgeprägte psychische und
physische Abhängigkeit. Er hat sein Trinkverhalten zwar unter Kontrolle, kann aber auf den regelmäßigen Alkoholkonsum nicht mehr verzichten.
Der Epsilon-Typ schließlich ist im Volksmund als "Quartalssäufer" bekannt. In unregelmäßigen Abständen kommt es beim Alkoholiker vom Epsilon-Typ zu exzessivem
Alkohlkonsum, den der Betroffene (im Gegensatz zum Beta-Typ) selbst nicht mehr kontrollieren kann. Über lange Phasen ist der Alkoholiker vom Epsilon-Typ zum
Alkoholverzicht fähig, auf Dauer besteht jedoch die Gefahr eines Übergangs zum Gamma-Typ, also die Entwicklung einer psychischen und physischen Abhängigkeit.
Als Folge des chronischen Alkoholmißbrauches können neben der Sucht zahlreiche Komplikationen auftreten: So zeigen Alkoholiker im psychischen Bereich nicht selten
zugleich Depressionen, eine übermäßige Agressivität und eine allgemeine Veränderung ihrer Persönlichkeit. Es kann zudem zu optischen ("weiße Mäuse") und
akustischen Halluzinationen oder zu einer krankhaft übersteigerten Eifersucht kommen. Sehr ernste Komplikationen des Alkoholismus sind das Korsakow-Syndrom und
die Wernicke-Enzephalopathie, zwei organisch nachweisbare Veränderungen des Gehirns, die mit einem Verlust von Raum- und Zeitgefühl sowie Gedächtnislücken
verbunden sind.
Neben diesen psychischen Veränderungen kommt es außerdem zu Nervenschädigungen, die sich in Gangunsicherheit (Ataxie), Empfindungsstörungen an Armen
und Beinen sowie Zittern und epileptischen Anfällen zeigen können. Und schließlich sind auch Schädigungen der inneren Organe oft Folge des Alkoholismus: Neben
den bekannten Leberschäden (Fettleber, Leberzirrhose) kann es auch zu Magen- und Darmgeschwüren, einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis)
sowie zu Erkrankungen des Herzmuskels kommen. Viele dieser Komplikationen können sich nach einem Alkoholentzug jedoch vollständig zurückbilden.

Therapie
Die Therapie des süchtigen Alkoholikers muß in drei Stufen erfolgen:
In einer ersten Phase, der Motivationsphase, muß dem Betroffenen zunächst nachdrücklich klargemacht werden, daß er krank ist und welche Folgen seine Krankheit
für ihn und seine Angehörigen haben wird, wenn er sich keiner Therapie unterzieht. Dabei wird der Arzt regelmäßig auf die Mitwirkung von Familie und Freunden
des Betroffenen angewiesen sein, um diesen von der Notwendigkeit einer Therapie zu überzeugen.
Die zweite Phase ist die Entgiftungsphase, der eigentliche Alkoholentzug. Die Entgiftung wird immer im Krankenhaus stattfinden, da hier zum einen der Zugang zum
Alkohol am sichersten verhindert werden kann und zum anderen während der Entgiftung so starke Entzugserscheinugen auftreten können, daß der Patient ständig
medizinisch überwacht und unter Umständen sogar intensivmedizinisch behandelt werden muß.
Die dritte und schwierigste Phase der Therapie ist die Entwöhnungsphase. Im Rahmen einer psychotherapeutischen Betreuung muß der Patient sich an das Leben ohne
den Alkohol gewöhnen und neue Perspektiven gewinnen. Dabei können auch die Ursachen für die Entstehung der Sucht erforscht und aufgearbeitet werden.
Langfristig kann auch die Beteiligung an einer Selbsthilfegruppe sehr hilfreich sein, wo der Patient auf Leidensgenossen trifft, die wie er den Ausstieg aus dem
Teufelskreis der Sucht geschafft haben.
Wichtig für den langfristigen Therapieerfolg ist auch eine Einsicht: Ein Alkoholiker
ist niemals "geheilt", sondern kann jederzeit rückfällig werden. So verstehen sich die Mitglieder der Gruppe auch nicht als "ehemalige", sondern als "nicht aktive"
Alkoholiker. Der persönliche Kampf gegen den Alkoholismus ist nie zu Ende, sondern beginnt jeden Tag neu.

Ursache
Rund 10 Prozent der erwachsenen Deutschen sind "Abstinenzler"; die restlichen 90 Prozent trinken, in unterschiedlichem Ausmaß, Alkohol. Dabei sind die
Grenzen zwischen Alkohol-"gebrauch" und -"mißbrauch" nur schwer abzustecken. Ein deutliches Alarmzeichen ist es jedoch, wenn man immer häufiger und/oder
immer mehr Alkohol zu sich nimmt oder sein Trinkverhalten zeitweise nicht mehr kontrollieren kann. Dann sollte möglichst bald ein Arzt aufgesucht werden, der zunächst
einmal in einem ausführlichen Gespräch mit dem Patienten dessen Alkoholkonsum und die Gründe für mögliche Alkoholexzesse analysieren und eventuell eine Überweisung
zu einem Spezialisten - in der Regel einem Psychiater - veranlassen wird.
Vorbeugung
Bei diesem ersten Schritt, einen Arzt aufzusuchen, sind auch Freunde und Angehörige des möglicherweise Alkoholgefährdeten gefragt: Oft merken sie wesentlich
früher als der Betroffene selbst, daß sich sein Trinkverhalten verändert hat. Deshalb sollten sie ihn darauf - und auf die möglichen Konsequenzen - hinweisen und ihn
von der Notwendigkeit eines Arztbesuches überzeugen.
Nach einer erfolgreichen Alkoholentwöhnung sollten sie und der Betroffene selbst darauf achten, daß jeglicher Alkoholkonsum vermieden wird. Auch "ehemalige" oder
"nicht aktive" Alkoholiker sind auch nach einer erfolgreichen Entwöhnung in aller Regel nicht in der Lage, eine normale Beziehung zum Alkohol zu entwickeln. Daher müssen
sie sich auch das vielzitierte "Gläschen in Ehren" verwehren, ebenso wie alle Speisen und Getränke, die Alkohol auch nur in geringsten Mengen enthalten. Selbst
alkoholhaltige Arzneimittel sind für sie absolut ungeeignet und können einen Rückfall auslösen.
Quelle: Deutsches Medizin-Netz
www.medizin-netz.de

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